Halbe Miete wegen Corona

Halbe Miete wegen Corona?
Mitezahlung trotz Lockdowns

Halbe Miete wegen Corona – Ist es gerecht, dass Mieter*innen zur Zahlung der Miete verpflichtet sind, obwohl ihre Restaurants, Modegeschäfte oder Bars seit Wochen geschlossen sind? Diese Frage wird nunmehr von zwei Oberlandesgerichten – am selben Tag – unterschiedlich beantwortet. Ihr*e Mieter*in zahlt die vereinbarte Miete nicht oder zu spät? Sie mieten selbst Gewerberaum? Welche Rechte und Pflichten haben Sie als Mieter*in oder Vermieter*in? Wir beraten, unterstützen und vertreten Sie gern auf dem Gebiet des Mietrechts.

Bei der jeweiligen Beklagten handelt es sich um eine Betreiberin eines Textileinzelhandels. Nachdem sie ihr Ladenlokal aufgrund des „ersten Lockdowns“ vom 19.03.2020 bis einschließlich zum 19.04.2020 nicht öffnen durfte, zahlte sie für den Monat April 2020 auch keine Miete. Die beklagte Mieterin meint, sie sei wegen des Lockdowns nicht zur Mietzahlung verpflichtet gewesen und führt hierfür gleich drei Argumente an:

Erstens behauptet die beklagte Mieterin einen Mangel am Mietobjekt und beruft sich auf § 536 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). In diesem Paragrafen heißt es: „…entsteht während der Mietzeit ein (…) Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten“. Durch den ersten Lockdown sei die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben bzw. gemindert gewesen. Denn die Mietsache habe sich nicht mehr zum Verkauf von Textilien geeignet. Die beklagte Mieterin meint, sie sei von der Pflicht zur Mietzahlung befreit, jedenfalls sei sie nur zur Entrichtung einer angemessen herabgesetzten Miete verpflichtet gewesen. Dieses Argument ließ der für Gewerberaummiete zuständige 5. Zivilsenat nicht gelten, denn die Mieträume eigneten sich nach wie vor, ob mit oder ohne Lockdown, als Verkaufs- und Lageräume. Die Mietsache sei nicht mangelhaft gewesen.

Zweitens behauptet die beklagte Mieterin die Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung im Sinne des § 326 BGB und meint wieder, sie sei von der Zahlung der Miete (zumindest teilweise) befreit. Auch dieses Argument ließ der Senat nicht gelten.

Drittens behauptet die beklagte Mieterin die Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB. Danach kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, hätten sie diese Veränderung vorausgesehen und soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Tatsächlich hatte die beklagte Mieterin mit ihrem dritten Argument Erfolg. Der Zivilsenat geht davon aus, dass infolge der Corona – Pandemie und der staatlichen Schließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB eingetreten sei. Diese Störung löse eine Anpassung des Vertrages aus. Die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung reduziere sich um die Hälfte. Eine Reduzierung der Kaltmiete um gleich fünfzig Prozent sei auch gerechtfertigt. Schließlich habe keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen. Es sei daher angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.

Anders entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Schließung eines Ladenlokals wegen des Corona – Lockdowns entbinde nicht ohne Weiteres von der Pflicht zur Mietzahlung. Zwar komme unter dem Gesichtspunkt der gestörten Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB eine Vertragsanpassung zu Gunsten von Mieter*innen in Betracht.

Anders entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Schließung eines Ladenlokals wegen des Corona – Lockdowns entbinde nicht ohne Weiteres von der Pflicht zur Mietzahlung. Zwar komme unter dem Gesichtspunkt der gestörten Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB eine Vertragsanpassung zu Gunsten von Mieter*innen in Betracht. Dies setze jedoch voraus, „dass die Inanspruchnahme des Mieters zu einer Vernichtung seiner Existenz führen oder sein wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermieters eine Vertragsanpassung erlaubt. Hierfür ist eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderlich, bei der unter anderem der Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensationen durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen zum Beispiel durch Kurzarbeit sowie fortbestehende Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware zu berücksichtigen sind.“

Anders entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe. Die Schließung eines Ladenlokals wegen des Corona – Lockdowns entbinde nicht ohne Weiteres von der Pflicht zur Mietzahlung. Zwar komme unter dem Gesichtspunkt der gestörten Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB eine Vertragsanpassung zu Gunsten von Mieter*innen in Betracht. Dies setze jedoch voraus, „dass die Inanspruchnahme des Mieters zu einer Vernichtung seiner Existenz führen oder sein wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigen würde und auch die Interessenlage des Vermieters eine Vertragsanpassung erlaubt. Hierfür ist eine Prüfung der Umstände des Einzelfalls erforderlich, bei der unter anderem der Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensationen durch Onlinehandel oder durch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen zum Beispiel durch Kurzarbeit sowie fortbestehende Vermögenswerte durch weiterhin verkaufbare Ware zu berücksichtigen sind.“ Das Oberlandesgericht Karlsruhe verneinte im konkreten Fall eine Vertragsanpassung. Die beklagte Mieterin war trotz des Lockdowns und der faktischen Ladenschließung zur Zahlung der Miete in voller Höhe verpflichtet. Denn die von der beklagten Mieterin dargelegten besonderen Umstände reichten nicht aus und begründeten nicht die Unzumutbarkeit ihrer Mietzahlungspflicht.

Gegen beide Urteile kann das Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt werden. In diesem Zusammenhang wird der Bundesgerichtshof angehalten sein, den kürzlich neu eingefügten § 7 in Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) zu beachten, der die Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nunmehr klarstellend regelt. Beachten Sie hierzu auch unseren Artikel „Corona – Keine Mietzahlung wegen gestörter Geschäftsgrundlage?“.

Beachten Sie: Inzwischen zeichnet sich eine anderslautende Tendenz des BGH ab: Einzelhändler*innen, die mit ihren Vermieter*innen über die Miete im Corona-Lockdown streiten, können voraussichtlich nicht auf eine pauschale Halbe/Halbe-Regelung hoffen. Wahrscheinlich müssen sämtliche Fälle vor Gericht einzeln genau geprüft werden.

Quellen: Landgericht (LG) Berlin mit Urt. v. 02.03.2021, Az. 529 Ks 6/20, BGH mit Urt. v. 01.03.2018, Az. 4 StR 399/17,

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